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Die vergangenen Tage war ich mit dem Longboard unterwegs, weil mein Rad immer noch kaputt in meinem Keller steht. Vor vier Wochen war das quasi der Himmel auf Erden. Die Straßen waren frei, es waren kaum Autos unterwegs und so konnte ich über die Straßen der Hugenottenstadt fahren, ohne dass dauernd jemand hinter mir gehupt hat. Diese Zeiten sind vorbei. Meistens trage ich mein Board jetzt durch die Stadt und fahre nur kürzere Strecken, weil einfach zu viel los ist. Der einzige Unterschied sind die Masken, die die Menschen tragen, bzw. unter dem Kinn baumeln lassen und natürlich, dass viel mehr los ist, als noch vor einem Monat.
Menschen haben in den Städten gegen die Maßnahmen der Bundesregierung demonstriert, weil sie sich ihre Freiheit zurückwünschen. Ich finde das irgendwie seltsam, haben wir doch in Deutschland keinen richtigen Lockdown gehabt. Italien, Frankreich und Spanien, da könnte ich solche Demos eher verstehen. Die Menschen dort sind seit Monaten in ihren Wohnungen und die Ausgangssperren, die dort wirklich als solche zu bezeichnen sind, sind echt hart. Dazu muss ich noch sagen, dass ich in einer großen Luxussituation lebe. Ich habe keine Kinder, ich habe eine Wohnung und ich bin nicht auf die Hilfe andere Menschen angewiesen, weil ich selbst einkaufen gehen kann und innerhalb von fünf Minuten im Grünen bin. Wie es aktuell für Eltern im Homeoffice ist, mag ich mir garnicht ausmalen. Außerdem ist meine Existenz aktuell nicht bedroht. Ich habe zwar keinen Job, aber bescheidenes Geld vom Staat reicht für mich aus. Ich habe kein Geschäft oder kein Restaurant oder eine Bar, die mein Leben bedeutet, außer vielleicht meine Stammkneipe.
Ich bin auch im Prinzip nicht gegen Demonstrationen, zu welchem Zweck auch immer. Es ist ein recht, das wir als deutsche Bürger*Innen haben und das ist wichtig. Wenn auf solchen Veranstaltungen aber Rechte und Verschwörungstheoretiker befinden und der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann, finde ich es grob fahrlässig, sich mit diesen Menschen auf einen Platz zu stellen. Ich habe ein sehr bewegendes Interview mit einem Mann aus Thüringen gesehen, der seit Monaten seine Frau nicht mehr im Pflegeheim besuchen konnte. Der Mann rang mit den Tränen. Einem anderen Demonstrationsteilnehmer fiel dann nichts besseres ein, als mit falsch getragener Maske gegen das “Merkel-Regime” zu schreien. Ich finde es einfach eine Frechheit, dass die persönlichen, tragischen Geschichten instrumentalisiert werden. (https://www.facebook.com/
Wie schon vor knapp neun Wochen, ist immer noch alles schwierig. Das einzige, was besser geworden ist, ist die Anzahl der Sonnenstunden. Ansonsten ist alles unsicher. Ich lebe von Tag zu Tag. Mal ist es ein guter Tag, mal ein weniger guter. Ich fühle mich manchmal so energiegeladen, dass ich nicht weiß, wohin damit. Manchmal fühle ich mich so taub, dass ich mir nicht sicher bin, ob ich jemals wieder produktiv sein kann und aus meinem eigenen Kopf rauskomme. Ich bin passiv, ich bin müde, ich bin lustlos. Ich schlafe viel, ich schlafe schlecht. Mir fehlt die Struktur in meinem Alltag, die mir hilft, mein Leben zu führen. Ich bin abhängig von diesen äußeren Faktoren, damit ich funktionieren kann. In manchen Momenten habe ich so viel auf meiner Liste, dass mich selbst die kleinen Dinge, wie einkaufen, völlig überfordern, weil ich einfach keine Lust habe, mich überhaupt zu bewegen.
Aber heute ist Feiertag und ich werde versuchen, einen Platz in meiner Stammkneipe zu bekommen, um wenigstens etwas erledigt zu haben.
-Lea K.
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