Bessere Zeiten

Bessere Zeiten

Man hat mir von ner Zeit erzählt, da gab’s nen Tag der Bühne. Man ging dort hin, Frau, Mann und Kind und auch der Rest an Kegel. Da wurde Wert auf Text gelegt, auf Verse und Choräle, dramatisch war’s und tragisch auch, am Ende stand ne Lehre. Und wenn man dann nach Hause ging, waren Kopf und Geiste rein; man fragte mich, das war doch was, warum soll’s nicht so sein?

Man hat mir von ner Zeit erzählt, da kamen Leute aus der Ferne her, mit Karren und mit Wagen. Sie hatten kein Heim, ihr Zuhause war die Straße und sie waren frei im Leben und im Tod. In die Städte ließ man sie nicht, doch für das Volk brachten sie Spiele und Unterhaltung, sie tanzten und sie sangen, erzählten von Nah und Fern und sprangen von einer Stimme zur nächsten. Und das Volk jubelte und lachte und warf Münzen und frisches Essen solange sie spielten und wenn sie weiterzogen, Flüche und Steine. Und man fragte mich, das war doch was, warum sollt’s nicht wieder so sein?

Man hat mir von ner Zeit erzählt, als man fast nur vom “Wir” sprach. Es gab den Traum vom Vaterland, dem riesigen Imperium, von Tradition und Brauchtum. Von Harmonie und Einigkeit und brüderlichem Willen, von Reinheit in Kultur und Ausdruck und allen anderen Dingen. Und wenn man zusammenkam, hob jeder die Hand – wer sich nicht daran hielt wurde schnell kleingemacht. Und man fragte mich, das war doch was, warum sollt’s nicht wieder so sein?

Man hat mir von ner Zeit erzählt, da gab’s nur hohe Kunst. Was gezeigt wurde, war hoch kuratiert und über jeden Zweifel erhaben. Kritik gab’s keine mehr, da man sich einig war, dass es nichts Besseres geben konnte. Und alles war gleichmäßig exzellent und man nickte sich zu und klopfte sich viel auf die Schulter und wer gefördert wurde, wuchs und wuchs und wer nicht, war ohnehin nicht gut genug. Und man fragte mich, das war doch was, warum sollt’s nicht wieder so sein?

Man hat mir von ner Zeit erzählt, da macht’ jeder, was er wollte. Es gab keinen Platz der nicht verziert und weitergedacht werden sollte; jeder war sich selbst Ikone. Und wer am lautesten schrie wurde gefeiert oder zerschlagen und aus den Knochen baute der Nächste seinen Thron und der Nächste seinen Thronsaal bis die ganze Welt ein Kunstwerk war, von dem es leise tropfte. Und man fragte mich, das war doch was, warum sollt’s nicht wieder so sein?

Und man wird mir von ner Zeit erzählen, wenn alles wieder besser sein wird; wenn jeder hat was er verdient, solange er nicht zu klein ist. Und Utopie jagt Dystopie bis an der Zeiten Ende, wenn jemand von der Zukunft träumt, bis zur finalen Wende.

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