Corona-Wg: Mal wieder so richtig aufregen

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Die letzten eineinhalb Wochen verging kein Tag, an dem ich mich nicht aufregen musste. Das hat nichts mit Corona zu tun, sondern mit den Privilegien, die wir haben – oder auch nicht.

George Floyd wurde von einem Polizisten ermordet und daraufhin geht es in den USA auf die Straße. Viele demonstrieren friedlich, andere nutzen die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt, um zu plündern und zu brandschatzen. Der Tod eines Mannes wird instrumentalisiert und das ist widerlich. Ein Demonstrant fasst das ganz gut zusammen, finde ich. Die Polizei geht mit Gewalt gegen die Proteste vor und schlagen und treten Demonstrant*Innen. Ebenfalls widerlich. Die Videos davon landen im Netz.  Auch Journalist*Innen werden bei ihrer Arbeit behindert.  Es gibt bei diesem ganzen Chaos aber auch positive Stimmen. Polizist*Innen und Bürgermeister*Innen, die solidarisch auf die Knie fallen. Und was macht Donald Trump? Er lässt mit Tränengas Demonstrant*Innen verscheuchen, um dann mit einer Bibel vor einer Kirche zu posieren. Er möchte das Militär auf den Plan rufen, um die Lage unter Kontrolle zu bringen. Auch das ist einfach nur widerlich. Ich bin hin und hergerissen zwischen Solidarität, Liebe, Ekel und Fassungslosigkeit. Ich finde es so gut, dass sich viele mit den Menschen solidarisieren und sie zusammen auf die Straße gehen. Ich hoffe, von diesem Gefühl bleibt am Ende etwas übrig, das die Situation für die benachteiligten Menschen besser macht und dass nicht nur auf dem Papier alle Menschen gleich sind, sondern dass niemand Angst haben muss, wegen der Hautfarbe diskriminiert zu werden. Ich hoffe, dass sich die Menschlichkeit durchsetzen wird.

Ich bin auch auf ein anderes Privileg gestoßen, bei dem ich dachte, das müsste doch mittlerweile jeder wissen und gerade mein Freundeskreis besteht aus offenen, gebildeten Menschen. Oder nicht?

Am Samstag saßen wir zu fünft (mit Abstand) im Röthelheimpark und kamen über das Donaulied (und ob es verboten werden sollte) auf das Thema Sexismus. Drei von fünf Menschen am Samstag waren Männer und zwei davon haben noch nie vom Gender Pay Gap gehört, also das Frauen im Schnitt 21 bzw. 6% weniger Geld verdienen als Männer, die die gleiche Qualifikation haben. Ich dachte, das ist mittlerweile bekannt. Auch bekannt sollte doch sein, dass Frauen immer noch diskriminiert werden, im Job, auf der Straße oder beim Feiern. Das Krasseste fand ich aber, dass die beiden Männer uneinsichtig waren. Nach dem Motto “Das kann ich mir nicht vorstellen, das kommt bei uns nicht vor. In unserer Firma würden wir Frauen einstellen, wenn sich die bewerben würden.” Ich finde es toll, wenn du keine Erfahrung mit Sexismus und Diskriminierung gemacht hast, das heißt aber nicht, dass es nicht Teil meiner Lebensrealität und der Lebensrealität vieler Frauen ist. Natürlich bin ich in vielen Dingen privilegiert. Ich bin als weiße Frau in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich hatte mehr Glück als viele andere Frauen. Mit dieser Ignoranz hätte ich aber nicht gerechnet, vor allem nicht in meinem Freundeskreis. Da kommt wohl echt noch ein Stück Arbeit auf uns zu.

-Lea K.

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