Corona-WG, Tag 16 & 17

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Tag Sechzehn – Schon wieder ein Montag?

Es beginnt eine neue Woche in der Corona WG. Viel zu früh für mich, denn gestern Abend haben wir noch eine Runde Weltraum-Kampf aka FTL gespielt. Ich muss sagen, ich mache mich mittlerweile relativ gut als Commander.

Meiner Brache geht’s aktuell, wie vielen, eher scheiße. Medien sollten eigentlich sicherstellen, dass das Demokratieprinzip, auf dem die Bundesrepublik aufgebaut ist, auch für die Medien gibt und ein plurales Meinungsbild zeigen soll. ist aber auch irgendwie witzig, dass viele von uns einfach bei anderen Medien abschreiben. Oh The Irony.

Wie es den Privatradios in Deutschland geht, die sich aus Werbung finanzieren, sieht man ganz gut an diesem Beitrag vom Deutschlandfunk: https://www.deutschlandfunk.de/mediasres-das-medienmagazin.2934.de.html

Ich versuche gerade, meinen Abgang so gut wie möglich vorzubereiten. Gar nicht so einfach, wenn die Leute nur zwei Stunden am Tag arbeiten dürfen. Wer was übernimmt, ist aktuell völlig unklar. Wir lassen auch unsere Praktikant*Innen völlig alleine mit dieser Sache. Ich hoffe, sie nehmen mehr mit, wenn sie jetzt auf sich alleine gestellt sind. Ich versuche ihnen den Übergang so einfach wie möglich zu machen. Allerdings hatten wir in den vergangenen zwei Jahren relativ wenig helle Sterne. Viele hatten auch irgendwie keine Lust, sich groß reinzuhängen. Ich muss sagen, kann ich echt verstehen. Aber warum machen sie dann dieses Praktikum überhaupt? Klar, es ist nicht die beste Stelle überhaupt, aber wenn mensch will, kann man echt einiges rausholen.

Aktuell weiß ich noch nicht genau, wann ich eigentlich wieder nach Hause gehe. Es ist super angenehm, in die Wohnung zu kommen und es ist jemand da. Es ist auch angenehm, den Großen jeden Tag zu sehen und neben ihm aufzuwachen. Wenn ich zurück in meine Wohnung gehe, dann bin ich die ganze Zeit alleine. Klar, ich hätte Zeit, da auch endlich mal ein paar Sachen anzugehen. Ausmisten zum Beispiel. Scheint ja ein aktueller Trend zu sein. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Große von mir schon genervt ist. Gesagt hat er bisher nichts. Die Corona WG hat auf jeden Fall schon länger Bestand als sie müsste und ich finde das eigentlich eine schöne Sache. Auch wenn es hier keinen Ofen gibt und deswegen auch keine Kässpätzle.

Tag Siebzehn – Alte weiße Männer, raus aus der Hölle und armselige Vorschläge

Jetzt ist es vorbei. Die letzten zwei Jahre. Die bisher dunkelste Geschichte meines Arbeitslebens, die sich auch auf meine Psyche niedergeschlagen hat. Endlich bin ich frei. Ich war bereit für meinen Traum, eine echte Journalistin zu werden, so einige Opfer zu bringen. Ich glaube, ich hatte noch nie einen Job, der mich so sehr gefordert hat und der es mir so schwer gemacht hat, nicht verrückt zu werden oder randome Leute anzubrüllen, ob das eigentlich ihr scheiß Ernst ist. Stunden, die ich mit sinnlosen Promotionaktionen und Hilfsarbeiten verbracht habe. Autos putzen, Sachen abholen, Leute triviale Fragen fragen. Es war eine harte Zeit und ich bin fast ein bisschen wehmütig, dass ich in so einer Zeit gehen muss, wo alle auf dem Zahnfleisch gehen. Auf der anderen Seite hatte ich ein virtuelles Zusammentreffen mit unserem Oberboss, der in Nürnberg ein Büro hat, in dem er maximal drei Tage die Woche ist. Wäre nicht so schlimm, wenn der Platz nicht eh schon Mangelware wäre. Weil unsere Meetings von Skype auf Zoom (Finden grade alle scheinbar sehr fancy und die Firma hat auch versprochen, keine Daten mehr an facebook zu verkaufen. Hurray!) umgestellt wurden, mussten wir auch einen Rechner umsteigen, der keine Webcam hat. Unser Techniker meinte, wir sollen die vom Überchef nehmen, der sei ja eh auf absehnbare Zeit nicht da. Weil ich wusste, dass der Überchef ein Arschloch ist, habe ich nochmal nachgefragt. Der Techniker blieb bei seiner Meinung und ich brachte die Kamera an. Während eines Telefonats erfuhr ich dann, dass unser Überchef wohl morgen ins Büro kommt. Ich schickte ihm eine Email, dass wir die Kamera benutzen, weil wir keine andere Möglichkeit haben. Seine Antwort folgte auf dem Fuße: “ich bin morgen im Büro, es ist MA-Tag und ich habe jede Menge Videokonferenzen! Bitte bringt meine Kamera sofort wieder an, so dass ich sie ab morgen früh nutzen kann…” Naja, er hat wenigstens “bitte” gesagt.

Oh, wie sehr ich solche Menschen hasse, die so sehr auf ihrer hohen Position sitzen. Nach zwei Jahren weiß der Typ nicht, wie ich heiße oder sonst irgendwas. Aber sobald jemand dem Unternehmen sichtbar Prestige bringt, dann ist alles super. Ich hab echt die Schnauze voll von diesen über-dominanten Alpha-Cis-Männern, die scheinbar nur ihr eigenes Geschlecht für voll nehmen und alle anderen sind dafür da, damit man sich damit schmücken kann. Ach ja, alte weiße Männer. Ich glaube, sie sind mein Endgegner. (Ja, ich habe das Buch von Sophie Passmann gelesen, fand ich kacke, aber ich ziehe trotzdem meinen Hut vor ihr. Ich würde gerne mal mit ihr ein Bier trinken und darüber reden, warum sie ihr Buch so geschrieben hat.) Wenn ich auf Branchentreffen gehe, dann dominieren alte weiße Männer. Sie sind mehr, sie haben höhere Positionen und sie belächeln mich. Mag ich nicht.

Neben diesen ganzen persönlichen Problemen, die eigentlich keine sind, gibt es noch die harte Nummer an den europäischen Außengrenzen, die auch ich dieser Tage vergesse. Wir haben hier Luxus-Corona. Die Menschen auf den griechischen Inseln verrecken elendiglich. Und das nicht erst seit Covid-19 nach Europa kam. Aber solange sie jenseits unserer Grenzen sind, ist das ja eigentlich egal. Sehen wir ja nicht. Dass die deutsche Regierung gerade viel zu tun hat, ist klar. Aber das Problem gibt es ja nicht erst seit diesem Monat. Es sind halt nicht unsere Bürger, deswegen ist es wahrscheinlich egal. Die Menschlichkeit scheint nicht erst seit gestern egal. Die ganze Situation ist irgendwie aussichtslos.

Hat mit der Situation im Süden Europas zwar nur indirekt zu tun, aber eine Sache finde ich sehr erstaunlich: Jetzt wo die billigen Erntehelfer aus Osteuropa nicht mehr einreisen dürfen, wird ernsthaft überlegt, ob Menschen mit Arbeitsverbot uns nicht aus der Scheiße ziehen könnten. Wie verrückt ist das eigentlich? Wir haben keine Fachkräfte, die Menschen wollen arbeiten, um ihre Lebenssituation zu verbessern, dürfen aber nicht. Wenn dann aber auf einmal Menschen fehlen, die aus Osteuropa für einen billigen Lohn bei uns harte, körperliche Arbeit machen, dann sollen die anderen auf einmal arbeiten dürfen? Wie armselig ist das denn bitte? Ich kann den move nur dann verstehen, wenn diesen Menschen dann im Nachhinein auch eine Arbeitsgenehmigung für andere Jobs gegeben wird. Ansonsten sind wir einfach ein Haufen reicher Penner, die sich zu fein für körperliche Arbeit sind und stattdessen Menschen ausbeuten, von denen viele mit Aussicht auf ein besseres Leben alles zurückgelassen haben.

-Lea K.

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