Post aus Singapur

Hintergrund: Mein Bruder Vincent ist gerade in Singapur, um u.a. an einer Summer School teilzunehmen und für sein Promotionsprojekt mit Vertretern internationaler Finanzdienstleister und Regulierungs-behörden Interviews zu führen. Und er schreibt immer mal wieder Mails seiner Eindrücke und Erlebnisse.

Liebe alle,
eine weitere kuriose Aktion hat mir wieder ungewollte Unterhaltung bereitet. Freitagabend bin ich bei Zeiten ins Bett, um morgens auch ja zeitig rauszukommen. Hatte um halb 10 ein Interview mit einem ziemlich dicken Fisch aus Hong Kong, und wollte das auf keinen Fall verpassen (und ich habe ja eine kleine Geschichte mit Verschlafen und so. Zum Beispiel vor sehr kurzem: Hatte vor ca. 2 Wochen meinen Wecker auf 3:45 Uhr morgens gestellt, bin um 12 schlafen gegangen. Konnte bis 3 nicht schlafen, dann irgendwann weggedoest… Ploetzlich schreck ich auf, Blick zum Handy [Uhren gibt es ja nicht mehr], 5:50, hatte wieder im Halb-Schlaf Handy-Wecker ausgemacht. Ich, “oh nein! aber was solls, passiert… wird schon nichts weltbewegendes sein…” Auf Spiegel.de, scroll runter, da steht da 7:1 … Da das ja noch Summer School Zeiten waren, wurde ich am naechsten Tag hundert Mal beglueckwunscht etc [aber ich kann doch nix dafuer!] Und ich natuerlich munter mitgespielt – “Oh, ja, soo crazy, in ten minutes, blablabla… legendary… history… I was there blablablub”! Verwerflich vielleicht, aber war echt praktischer so / und bei so absurdem Treiben, treib ich absurd halt mit.) Naja, also was Verschlafen angeht dann gerade nochmal frisch gebrandmarkt. Also Freitagabend, Handy gestellt, aber wie gesagt, ist halt schnell ausgemacht. Daher Wecker-Programm fuer PC (weckt auch ausm StandBy-Modus), mehrere Zeiten sukzessive eingestellt – ich weiss ja nie. Dann aber: zuklappen oder nicht? – ich weiss ja nie. Also halb offen nebens Bett gelegt. Wegen Aufregung, komischem Schlafrhythmus, oder erstem guten (starken) Kaffee am Abend (…) seit langem kaum geschlafen die Nacht. Auf jeden Fall wach bevor Wecker ging, vorsichtig Handy und Laptop gegriffen, aus dem Zimmer geschlichen, will ja keinen aufwecken. Dann erwecke ich den Laptop um den Wecker auszustellen… Ein riesiger Riss geht quer ueber den Screen – zerbrochen. Wie? Mein neuer/gebrauchter Laptop ist noch eine Version vor TouchScreen, und eine Version mitten in hochsensiblem LCD Screen. Und ich hatte beim Rausschleichen halt nicht den Rand, sondern den Screen gepackt. Schick. Wann letzte Datensicherung?? Verdammt, will ja immer, aber mache zu selten. Naja, Interview draengender dann, aber Laptop-Bruch durchweg im Kopf (auch waehrend Interview, war eigentlich sehr interessant so… Nur wenn der Rekorder laeuft, haben es die Gedanken umso leichter von dannen zu driften..). Zum Mittag dann in die Technik-Hoehlen Singapurs, vergleichen, handeln etc. Am Ende 100 euro fuer neuen Screen (natuerlich seltene Version – stimmt aber tatsaechlich), dafuer aber in halber Stunde ausgetauscht. Daher: Lenovo! Apple kann da einpacken (wobei der vllt von vorneherein nicht zerbrochen waere). Und das ganze war am Abend geloest, ich aber um 130 euro leichter (hab dann noch einen neuen Akku zum “super Preis” mitgenommen :)). Fazit: mit dem Geld haette ich bestimmt auch Wanzen-frei schlafen koennen. Aber: Lieber mir die Euros absparen, um dann solche Screen-Geschichten zwar mit weinendem Geldbeutel, aber nicht ueberzogenem Konto (sprich Anpumpen der Verwandten :)) ueberwinden zu koennen. Und sowas wird immer wieder passieren. und wieder. und wieder.
Gestern war ich uebrigens bei einer Singapurer Freundin, mit ihrer Familie, weitverzweigt, das Ende des Ramadan feiern. Echt gut. Und eine Sache ist hier in Singapur sehr beeindruckend – wie all die Religionen so ineinander uebergehend koexistieren, friedlich. Wobei “religioese” Konflikte in den seltensten Faellen nur ums Religioese gehen. Meistens hat dann der eine doch auch mehr auf dem Teller, oder der andere dem einen vor langer Zeit mal, oder es war schon immer so… usw. In jedem Fall, morgen frueh geht es nach Jakarta, am Nachmittag dann nach Lombok, das ist irgendwo im nirgendwo. Dort bin ich dann bis Montagmorgen (4.8.), und wahrscheinlich kaum erreichbar. Dann von dort nach Jakarta, will da ein paar Tage bleiben. Wollte da eigentlich auch Interviews machen, aber null (!) Erfolg, welche an Land zu ziehen (ueber 15 Mails geschrieben, rumtelefoniert, mit FES, IMF, Weltbank – nix); jetzt schau ich mal wie ich drauf bin, vllt geh ich einfach vor Ort bei den Bueros vorbei. Oder ich lass es bleiben, haengt wahrscheinlich von meiner Tagesform ab (aber Indonesien ist jetzt nicht die Welt [also fuer mein Forschungsprojekt, nicht die 240 Mio die da leben], waer aber dennoch nett noch nen weiteren point of view…). Dann Mittwoch, Donnerstag zurueck nach Singapur, die Woche drauf dann tough, 4 Interviews geplant (mit Ausfallrate wahrscheinlich 3, vllt kommt dann noch ein unverhofftes dazu). Und dann geht es am 18. August nach Hong Kong. Irgendwie hab ich das Gefuehl, dort wird es wirklich erst “the real deal”. Singapur ist eher noch so Abenteuerland, keine Ahnung wo diese Eindruecke herkommen. Auf jeden Fall kommen in HK rst so richtig die Hochhaeuser (die sind auch hier nicht schlecht, aber fuer so ne richtige Endzeitstimmung [die zu finden ich eigentlich das alles hier ueberhaupt erst mache] doch noch zu brav). Zudem toller Hintergrund: die fuehrenden Familien Hong Kongs sind erst dahin gekommen, wo sie jetzt ihre Dynastien aufgebaut haben, weil in 1945 durch UN-(US)-Sanktionen jeglicher Welthandel mit China verboten wurde – wer profitierte da? Die Schmuggler. Dann ist Macau nur eine Stunde entfernt, und darum ranken sich ja noch mehr Mythen. Riesen Spielerstadt wohl, wo nicht nur Geld verspielt wird (keine Angst, ich mache vieles, aber gespielt hab ich nie, irgendwie keinen Sinn drin gesehen [bisher?]). Ja, naja, im Moment haelt mich uebrigens das Schreiben unter anderem vom Schlafen ab, weil ich recht uebermuedet bin. Heute morgen frueh raus fuer Interview, aber absichtlich auch muede, weil ich recht bald ins Bett will, um morgen gegen 4 Uhr aufzuwachen (mit Handy, Laptop-Wecker, bin alleine im Zimmer, muss mich nicht rausschleichen und Screen zerstoeren). Weil mein Flieger nach Jakarta geht um 7:00… War halt der billigste… Ach komm, es macht mir doch auch Spass. Wenn das Leben mir schon so nicht genug Aufgaben gibt/Probleme macht, fabriziere ich sie halt selbst.
Zu guter Letzt eine Anekdote vom samstaeglichen Interview. Also wie gesagt, der Typ schon ein wichtiger, bei den Grossen am mitmischen, aber eher privat, als “Anwalt”. (ich verletze hier keine Schweigepflicht, sagte, ich koenne machen mit den eineinhalb Stunden Audio, was ich will). Erinnerte mich an Philip Seymour Hofmann als Truman Capote in Kaltbluetig. Ganz zarte, sanfte Stimme, aber scharf und natuerlich hochintelligent. Ganz am Schluss, Er: ‘so, treffe jetzt noch einen Klienten. Der hat 30, 40 Mio. an nen Trader gegeben, der Trader hat alles verloren, puff. hihi’ ich: ‘keine Absicherung?’ Er: ‘keine Absicherung, nein, hahah. Jetzt will er den Trader verklagen… hihihi. er will die __* auf die 40 Mio. verklagen. hihihihihihi” Ich: “hihihihi…” Dann haben wir noch ein bisschen gelacht, dann ist er gegangen. Und hat mich auf Cola und Kaffee fuer 20 euro eingeladen. Sehr nett. hihi. wahrscheinlich auch hihi, weil im Falle des Erfolges er 10% des Batzens macht. Aber auf der anderen Seite wahnsinnig erfrischend. Weil diese Welt da draussen ist komplett irrsinnig. Und wie noch mehr irrsinniger waere es, wenn sich nicht zumindest einige dieser dort sich tummelnden Menschen der riesen Absurditaet des Ganzen nicht bewusst waeren? hihihihihihi

*eine der europäischen “too-big-to-fail”-Großbanken






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