Eine Inszenierung namens Voynich

Ich weiß nicht mehr, wie der Regisseur hieß, oder war es ein Kollektiv? Jedenfalls habe ich die Inszenierung gesehen. Sie lief nicht so oft, vielleicht war ich in der zweiten oder dritten Aufführung. Und das ist, woran ich mich erinnern kann – ungenau, verzerrt durch meine Erinnerung, die sich wieder und wieder überschrieben hat.

Die Wände der Bühne sind weiß. Ein white circle. Als das Publikum den Raum betritt, sind alle Darstellenden (vier? Fünf) bereits auf der Bühne, vertieft in ihr Handeln. Der Raum liegt in einem kühlen diffusen Licht da, die von dem Publikum eingekreisten Menschen werfen große Schatten. Das Licht im Zuschauerraum blendet runter, und eine Musik wird hörbar aber langsam lauter.

Ein Mann auf der Bühne hängt konzentriert und bestimmt Bilder an die weißen Wände, postkartengroß, eine Frau schreibt auf den Boden, eine zweite Frau hat eine Kette um den Bauch geschlungen, an dessen Ende ein riesiger Schlüssel über den Boden schleift. Sie alle bewegen sich im Uhrzeigersinn an den Bühnenrändern entlang. Dem Mann mit den Bildern folgt ein tropfend nasses Wesen . Sie hängt die Bilder wieder ab und lässt sie zu Boden flattern. Der schreibenden Frau folgt ein Mann. Er wischt die Buchstaben auf dem Boden weg, in einiger Entfernung.

Die Schlüsselfrau hat eine Kamera in der Hand, das Bild wird live übertragen auf die gesamte weiße Bühnenwand. Sie filmt die Schrift auf dem Boden, sie filmt das Wegwischen. Sie filmt die Bilder an den Wänden, sie filmt wie sie abgenommen werden. Der Schriftvernichter hält inne und spricht von einer Reise auf einem Schiff durch unbekannte Gewässer. Die Schlüsselfrau beginnt zu flüstern: „Ich muss den Schlüssel finden.“ Wieder und wieder, fast hysterisch. Die anderen Drei stimmen mit einem Summen ein, in einem seltsamen Akkord. Alles ist hypnotisierend, Stimme, Summen, Bewegung. Die Bilder von der Kamera legen sich über alles, seltsame Gestalten, Zentauren, Kreise, badende Frauen, das Bild eínes Schiffes.

Immer weiter dreht sich der Kreis, die Stimmen trennen und vereinen sich, singen, locken, erschrecken, aber wir wissen, dass die Fünf nirgendwo ankommen, bis irgendwann die Kamera ein Bild von ewig sich zum Horizont hinstreckenden Wellen zeigt und nur noch das Atmen des Publikum zu hören ist. Oder? So war es doch? Habe ich etwas vergessen? Oder etwas falsch beschrieben? Andere Lieder? Doch nicht fünf Leute? Was hat die Frau am Ende geschrien? Sie schrie doch was…

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3 Responses to Eine Inszenierung namens Voynich

  1. Der Lukas says:

    Ich war fassungslos… Der Text war schon gelesen. Philip Glass lief noch und ich konnte meine Eindrücke kaum sammeln… Ich hatte gerade die erste Aufführung einer neuen poetischen Gattung namens Internetheaterbotenbericht kennen gelernt… Draußen vor den Fenstern hupten die Autofahrer und johlten die Betrunkenen, und hier drinnen, an unserem neugefundenen Altar, sangen die Chöre feierlich ihr Three Two Five Seven Six, unaufhöhrlich. Der Text war schon aufgeführt. Das Kreisdiagramm im anderen Tab zog noch seine Runden, aber der Text war schon von der Bühne marschiert. Ich saß da noch lange, nachdem die Autos zu hupen aufhörten und die Betrunkenen längst irgendwo eingeschlafen waren. Da waren Drachen.

  2. Vera says:

    Ich muss mal was an meinem Postkastenkommentarstil ändern, irgendwie schreibe ich viel zu oft nur SMSe mit Lukas dazu…

  3. Vera says:

    Jetzt aber hat Lukas in seinem Kommentar schon alles gesagt, ganz genau so wie es da gesten bei ihm war, war es bei mir auch, nur noch etwas vor den Autos und Feuerwerken… Und das Philip-Glass-Stück, das werde ich mir auf ewig merken, für Zeiten des inneren Sturms…

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