Hindenburg: Rekonstruktion der Drachennacht

Wir haben uns lange in Schweigen gehüllt über die Geschehnisse jener Freitagnacht, welche alles – also wirklich alles – ein wenig verändert hatten. Oder nicht ganz: Chris hatte die Bilder, die wir von unserem nächtlichen Besuch erhaschen konnten geteilt. Ob man uns geglaubt hatte? Ich bin mir nicht sicher. Wer sollte uns auch glauben, dass ein Drache ausgerechnet im Jahr des Drachens den Weg zu uns gefunden hatte? Dies hätte auch in meinen Ohren nach einem ausgezeichneten Humbug, einem törichten Schwindel, geklungen, wenn ich nicht selbst an jenem Abend anwesend gewesen wäre. Doch die Wahrheit ist: Bevor die Fensterscheiben klirrten und ein Schrei durch die Nacht hallte, hatten wir mit unserem nächtlichen Besuch mehr zu tun, als uns geheuer war…

Also zugegeben wir hatten zunächst ganz schön Schiss, saß da doch auf einmal eine recht gefährlich wirkende Kreatur in unserer Küche, welche zuvor durch das Video von Chris als ein Ort der Freude und Feierlichkeit berühmt geworden war. Glücklicherweise war Vinz zu Hause, so profitierten wir von seiner jahrelangen Auseinandersetzung mit Monstern und anderen mystischen Kreaturen, welche er schon vor seinem Einzug mit Eifer mittels verschiedener Handbücher studiert hatte. Er riet uns, Kontakt mit der Kreatur aufzunehmen, ihr etwas anzubieten, sie freundlich und furchtlos zu empfangen. Das würde bestimmt klappen… So wagten wir uns nach einem Blick durch das Schlüsselloch schließlich in den besetzten Raum. Ein atemberaubendes Schnauben erwartete uns dort, sodass wir fürchteten, uns würde noch in derselben Nacht die Bude abbrennen. Zu unserer Überraschung handelte es sich jedoch scheinbar um ein recht junges Tier: Groß war es nicht – und bei näherem Hinsehen auch gar nicht mehr so furchteinflößend. Schnell griffen wir zu der echsenartigen Gestalt, welche auf dem Fensterbrett thronte und setzten es mit glühenden roten Augen vor uns auf den Tisch. Die Kreatur schnaubte erneut und stieß kleine Funken die Luft.

Chris zündete sich eine Zigarette an und blies dem Tier forsch etwas Rauch entgegen. „Will-kom-m-en in der Hin-den-burg!“ tönte Vinz mit tiefer, tönender Stimme über den Tisch, „Waas willst du hieer?“.

Ich griff zu einem Feuerzeug und ließ kleine Flammen im Schoß der rotäugigen Figur auflodern, welche abrupt ihre Farbe wechselten.

Dies schien dem Drachen zu gefallen, er sprang auf einen Stuhl und legte versöhnlich seinen Kopf auf dem Tisch ab.

Nach einer Weile begann das Tier zu kommunizieren. Ich weiß nicht mehr genau welche Sprache es gebrauchte, doch erinnere ich mich recht genau an das, was es uns vermitteln mochte. Der Jungdrache war geflüchtet, es sei Drachenblut vergossen worden, schnaubte er. Und etwas von Familie, Mythos und Gefahr ächzte er. Ich begann nachzubohren, was denn so gefährlich sein könnte und erstarrte als die Kreatur unter kleinen Flammen Laute ausstieß, die wohl oder übel als das Wort Pandragon gedeutet werden mussten. Ich bohrte weiter, doch ziehe ich es vor an dieser Stelle nicht zu viel darüber zu berichten.

Als die Fensterscheiben klirrten und jener Schrei sich durch die Nacht zog, hörte ich Phils Stimme auf der Straße. Ich hatte eilig das Haus verlassen, die Haustür war zugeknallt, Regen hatte eingesetzt. Mit langen Schritten sah ich Stefan über die Bismarckstraßenkreuzung eilen, wo zuvor der Drache in die Luft gestoßen war.

Ich hielt mich im Verborgenen, doch war ich nicht überrascht als der Ring des Schreibers ausgerechnet in Phils Hände fiel…

 

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One Response to Hindenburg: Rekonstruktion der Drachennacht

  1. Der Lukas says:

    Oh yeah…! Wie Vera schon so schön sagte: Endlich der ‘Missing Link’ zwischen Pandragon und Lissabon…! Genialst! Das macht jetzt ja ALLES SINN!!!! Ihr seid so großartig…! 😉

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