Möwen und Wellen

Lieber Postkasten,

das ist mein erster Beitrag. Ich weiß, ich bin ein bisschen spät dran, was das Kastenthema angeht und so, aber ich bin einfach noch nicht dazu gekommen.

Ein Textausschnitt, aus früheren Zeiten…

Möwen und Wellen

Am Wasser, das nur eine Straße entfernt lag, wurde Piraye zuerst von einer Welle mit Algen begrüßt, die sie ebenfalls mit einem lauten Kreischen zurückgrüßte und dieser hinterher rannte. Als die Welle wieder verschwand, kam Piraye an einem kleinen Steg an, auf dem am anderen Ende eine dümmlich aussehende Möwe saß. Diese Möwe kannte sie bereits. Sie war sich sicher, das war dieselbe Möwe, die sie hier vor einigen Tagen schon gesehen hatte. Damals aber saß die Möwe in einem roten Boot und nicht auf dem Steg. Es schien, als würde diese Möwe auf und um den Steg herum wohnen. Piraye ging auf sie zu und wartete kurz, ob die Möwe sich regte. Nichts. Sie schlich ein paar weitere Schritte nach vorne. Immer noch nichts. Na gut, wenn sie sich nicht regte, dann setzte sie sich eben neben sie. Und sie tat es: Piraye saß auf einem Steg neben einer Möwe.

„Vor einigen Tagen war das Wetter zwar auch grau, aber milder“, begann Piraye der Möwe zu erzählen. „Zumindest regnete es nicht wie heute. Eigentlich war eine Bootsfahrt geplant. Aber dann bekam Mehmet einen Anruf und er musste gehen. Seit dem habe ich nie wieder etwas von ihm gehört.“

Und Piraye führte ihren Monolog fort: „Es ist an der Zeit, weiter zu ziehen, liebe Möwe. OK, er ist weg, die Polizei war da und hat die anderen Jungs mitgenommen. Aber ich muss jetzt weiterziehen. Sonst werde ich auch in die ganze Sache mit reingezogen. Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum sich Mehmet nicht meldete.“

„Verdammt, verdammt nochmal! Verdammt sei dieser Staat und der ganze Apparat dahinter. Was soll jetzt bloß aus dieser ganzen Sache werden?!?“, schrie Piraye die Möwe an und stand auf. Doch die Möwe schien nichts verstanden zu haben.

Nach einer Weile, sprach Piraye mit einem Seufzer weiter: „Die Möwen in Istanbul verstehen meine Sorgen. Ich erzähle ihnen davon und als Dank erhalten sie ein Stückchen simit von mir. Wenn man auf der Fähre ist, fliegen sie so dicht an einem, dass man die Sesamkringel-Stückchen einfach nur hochzuwerfen braucht und schon landen sie in ihren offenen Schnäbeln. Und kaum ist der Sesamkringel alle, sind auch schon die Sorgen verschwunden. Sie kreischen dann glücklich und fliegen im Kreis um dich herum“.

„Und was machst du, liebe Möwe?“, fragte Piraye schließlich und setzte fort, „du stehst nur dumm rum und gibst keinen Mucks von dir. Genau wie Mehmet, bist du. Unfähig und dumm“. Piraye stand auf und rannte wütend davon.

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