Ein Requiem auf Heiner

Anm.: Funktioniert auch als Trinkspiel. Mit verteilten Rollen verlesen. Wer lacht, muss trinken. Daraufhin wird der Satz wiederholt. Gelesen wird nur, wenn nicht mehr gelacht wird. Prost.


Ein Requiem auf Heiner

– Für zwei Sprecher und einen Chor –

Sprecher 1:  
Mein Bruder schweigt, in seinen Händen Papier und Heiner.
Ledrig und gilb und alles andere.
Und der Wurm wartet bereits.

Sprecher 2:  
Jeden morgen, den wir zu der alten Erdstätte schreiten.
Das Gesicht meines Bruders wirft mir mein eigenes, verzerrtes Abbild entgegen.
Jeden Morgen nun.

Chor:   
Sein eigenes verzerrtes Abbild.

Sprecher 1:  
Im Spiegel meines Bruders beiße ich auf eine Kruste Brot.
Er aber isst nichts.
Denn da war auch das Erbrochene.

Chor: 
Er gedenkt des Erbrochenen.

Sprecher 2:   
Jeden Morgen bricht sich sein Spiegelbild im Schatten des Bruders.
Er spricht stumm über mich
aus dem Schatten von Heiner

Chor:   
Er wirft einen lauten Schatten.

Sprecher 1: 
Ich will ihm antworten, doch die Zunge ist träger als das Papier.
So halten wir die erste Wacht über den Seiten,
in die Heiner seine Spuren gegbraben hat.

Chor:  
Es war die erste Wacht von vielen.

Sprecher 2:  
Auf der Zunge nur Brot und der alte Geschmack.
Wir wollen die Reste sammeln und ihn vergessen.
Es bleibt dann nur Erdreich.

Chor:    
Es bleibt nur die Stimme, die er für den Bruder nicht hat.

Sprecher 1:    
In einem Schmalztöpfchen sammelten wir Heiners Gebein.
Ich trug keine Hosen, ich trug den alten Frack des Vaters.
Und wir schwiegen vor dem kleinen Topf, in dem ein Rest des Schmalzes übrig war.

Chror:    
Es war nur ein kleiner Rest.

Sprecher 2: 
Zwei weiße Ochsen gingen dem Zug voran
und der alte Frack des Vaters ist voll Staub
Im Spiegel ist kein Bild zu sehen.

Chor:      
Der Bruder wendet sich ab.

Sprecher 1:     
Wir aßen ein Stück Fleisch und gingen weiter.
Der süßliche Geruch zieht schwelend zum Himmel.
Dies war die zweite Wacht, die wir bei den Ochsen verbrachten.

Chor:   
Sie waren weiß wie ein Aschetrug.

Sprecher 2:       
Heiner schrieb einmal, jedes Gesicht sei ein anderes.
Auch das meines Bruders.
das mir vom Fleische und vom Schmalze meiner Selbst erzählt.

Chor:   
Sein Selbst hinter dem Spiegel.

Sprecher 1:   
Wenn der Spiegel bricht,könnte er deine nackten Füße schneiden.
Ein Tropfen Deines Blutes könnte sich mischen mit dem Schmalz, der verbleibt.
Es verbleibt doch so wenig.

Chor: 
Wenig des Schmalzes und viel des Blutes.

Sprecher 2:     
Als die dritte Wacht vorüber war,
schickten wir die Ochsen fort
und warfen den Frack des Vaters tief in eine Grube.

Chor:      
In der Grube des Erbrochenem.

Sprecher 1:  
Wir waren nun nackt über der Erde.
Jetzt spricht Heiner zu den Würmern, dachte der Bruder.
Jetzt werden sie kommen.

Chor:     
Würmer, die keines Wurmes Bruder sind.

Sprecher 2:    
Ich geriet in Angst und fiel auf die Erde.
Mit den Scherben des Spiegels begannen wir zu graben.
Die Scherben durchschnitten das feuchte Erdreich.

Chor:   
Durchtränkt vom Schmalze, der in ihm schwoll.

Sprecher 1:   
Die Scherben schneiden und die Würmer graben.
Die Seiten sprechen und das Fleisch schweigt.
So holen wir Heiner wieder ans Licht.

Chor:  
Und das Blut wird es belegen.

Sprecher 2:    
Im nächsten Jahr wollen wir es wieder versuchen.
Im nächsten Jahr wollen wir sprechen.
Jeden morgen nun, seit Heiner ging.

Chor:       
Und der Wurm wird nicht gesättigt.

Sprecher 1:      
Wir sind uns doch nah.

Sprecher 2:    
Wir sind uns doch nah.

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7 Responses to Ein Requiem auf Heiner

  1. Kili says:

    haha oh mann…
    ich muss jetzt schon wieder kichern wenn ich das lese…!

  2. Der Lukas says:

    Und hier übrigens die Secret Origin dazu: http://zeitstromschipperer.de/magazin.php?eintrag=1158

  3. Ulli says:

    ja, ja “Die kleine Joint-Manufaktor” ! Schade, dass sie mit dem Schipperer auch Geschichte geworden ist!

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